
Free Fight
Nate Marquardt war im Februar nur wenige Sekunden davon entfernt, sich einen zweiten Mittelgewichtstitelkampf gegen Anderson Silva zu erkämpfen. Irgendwie schaffte es Chael Sonnen jedoch, aus seiner Guillotine zu entkommen und den Punktsieg mit nach Hause zu nehmen. Aber so leicht lässt Marquardt nicht von seinem großen Ziel ab. Am Mittwoch will er gegen Rousimar Palhares im Hauptkampf der UFC Fight Night 22 in die Erfolgsspur zurückkehren.
„Ich schaue insofern ein bisschen auf die positiven Aspekte, als dass ich ihn einige Male beinahe vorzeitig besiegen konnte“, sagt Marquardt über den Kampf gegen Sonnen bei UFC 109. „In der dritten Runde hatte ich echt das Gefühl, den Kampf beenden zu können. Aber am meisten bringen mich die negativen Aspekte weiter. Die Dinge, die ich falsch gemacht habe. Ich sehe sie mir an, um festzustellen, wie ich mich verbessern kann und wie ich ein besserer Kämpfer werde. Ich denke, das ist mir während meines Trainingslagers auch gelungen. Gegen Chael habe ich meine Strategie nicht eingehalten, und das hat mir den Sieg gekostet. Ich habe zwar auch ein paar technische Fehler gemacht, aber wenn man seine Strategie nicht verfolgt, wieso bereitet man sich dann überhaupt mit einer speziellen Strategie im Kopf auf den Kampf vor? Darauf habe ich mich bei der Vorbereitung auf diesen Kampf besonders konzentriert: das Einhalten meiner Strategie.“
Wie diese Strategie aussehen wird, erfahren wir erst am 15. September. Aber es ist zu vermuten, dass Marquardt versuchen wird, den Kampf im Stehen zu führen. Zwar ist der 31 Jahre alte US-Amerikaner genau wie sein Gegner Rousimar Palhares ein Schwarzgurt im brasilianischen Jiu-Jitsu, doch die Vorteile in dieser Disziplin liegen eindeutig bei dem „Baumstumpf“ genannten Mann aus Brasilien. Palhares ist ein Spezialist für Fuß- und Kniehebel – fünf seiner elf Siege hat er seinem gefährlichen Heel Hook zu verdanken. Mit diesem Aufgabegriff besiegte er im Dezember Lucio Linhares und im März Tomasz Drwal.
Das Ende des Kampfes gegen Drwal, der bei UFC 111 stattfand, verursachte eine Kontroverse. Drwal klopfte mit schmerzverzerrtem Gesicht ab, doch da der Ringrichter noch nicht dazwischen gegangen war, ließ Palhares den Griff noch nicht locker. Daraufhin wurde er für drei Monate suspendiert. Medien und Fans gleichermaßen stempelten den in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsenen Brasilianer als unfairen Rüpel ab, der voller Absicht seine Gegner verletzt.
„Innerhalb und außerhalb des Octagons bin ich dieselbe Person“, versucht Palhares zu erklären. „So etwas Grausames würde ich niemals tun. Die Menschen, die mich gut kennen, wissen, dass ich einen Aufgabegriff nur so lange halte, bis der Ringrichter eingreift. Ich habe genauso meine Arbeit erledigt wie Drwal. Wir wollen niemanden ernsthaft verletzen, um zu zeigen, dass wir besser sind oder dass wir die Sieger sind. Wenn nur die Hälfte von dem, was die Menschen behaupten, wahr wäre, hätte ich niemals das erreicht, was ich bislang erreicht habe. Niemand kann mit der Einstellung, seinen Kollegen unnötige Schmerzen zu verursachen, Erfolg haben. Ich liebe das Kämpfen und ich weiß, dass es allen meinen Gegnern genauso geht. Ich denke nicht, dass ich besser als Drwal bin, nur weil er verloren hat. Ich habe einfach eine Gelegenheit ausgenutzt, die sich mir im Kampf angeboten hat. Ich versuche, mich in meinen Kämpfen so korrekt wie möglich zu verhalten.“
In seinen vorherigen UFC-Kämpfen war Palhares in keinster Weise negativ aufgefallen. Weder bei seinen Siegen über Ivan Salaverry, Jeremy Horn und Linhares noch bei seiner Punktniederlage gegen Dan Henderson. Dass die Menschen schlecht über ihn reden und schlecht von ihm denken, macht den religiösen Palhares traurig, aber der 30 Jahre alte „Toquinho“ blickt mittlerweile nach vorne, damit er bei der UFC Fight Night 22 einen klaren Kopf haben wird.
„Das Leben und die Wettkämpfe haben mich auf natürliche Weise reifer gemacht“, sagt Palhares. „Ich konzentriere mich auf den Kampf und auf sonst nichts. Gegen Henderson habe ich nicht verloren, weil ich nervös war, sondern weil seine Strategie aufgegangen ist. Ich denke, dass Marquardt, wie alle meine Gegner, den Bodenkampf vermeiden will. Nicht, weil ich besser als alle anderen bin – das ist nämlich gar nicht der Fall. Es gibt viele gute Bodenkämpfer, aber ich beende eben alle meine Kämpfe auf dem Boden. Marquardt kämpft auch gerne im Stand. Der Kampf wird im Stand beginnen, und wenn er sich auf den Boden verlagert, kommt mir das natürlich zugute. Aber wir wissen nicht, was geschehen wird. Manchmal passiert dies, manchmal passiert das. Das ist einer der Gründe, weswegen ich nicht gerne rede, denn im Octagon kann alles passieren. Ich handele lieber anstatt zu reden.“
Während Palhares seine letzten drei Kämpfe gewonnen hat, verlor Marquardt seinen letzten Kampf einstimmig nach Punkten. Zuvor war er jedoch auch dreimal hintereinander siegreich. Das hat er seinen extrem verbesserten Fähigkeiten im Stand zu verdanken, an denen er in den vergangenen zwei Jahren hart gearbeitet hat. Martin Kampmann, Wilson Gouveia und Demian Maia fielen seinen harten und schnellen Schlägen bereits zum Opfer. Palhares soll der nächste auf dieser Liste sein. Darum hat sich Marquardt während seines Trainingslagers insbesondere mit dem klassischen Boxen beschäftigt.
„Die Strategie muss mit dem Stand beginnen, denn dort fängt der Kampf bekanntlich an“, erzählt Marquardt. „Man fängt nicht auf dem Boden an, deswegen muss man eine Strategie für den Stand haben. Vom Boxen kann man sich die Beinarbeit abgucken, denn die überträgt sich ziemlich gut auf den MMA-Sport. Wenn man sich der richtigen Beinarbeit bedient, wird es sehr schwer für den Gegner, einen zu stellen. Wenn man ein stationärer Kämpfer ist, ist es für einen Gegner viel leichter, einen auf den Boden zu werfen.“
Wie er gegen Sonnen, und vor drei Jahren gegen Silva, schmerzlich feststellen musste, nutzt die beste Strategie nichts, solange man sie im Kampf nicht anwenden kann. „Ich bin jetzt wieder hoch konzentriert“, sagt Marquardt. „Ich werde entschlossen an die Sache herangehen. Ihr habt es in meinem letzten Kampf gesehen – ich habe die ganze Zeit versucht, ihn vorzeitig zu beenden. Bei diesem Kampf wird es nicht anders sein. Ich werde auf ein vorzeitiges Ende hinarbeiten. Ich werde versuchen, viel Schaden anzurichten, aber dabei stets konzentriert zu bleiben. Ich werde meine Strategie einhalten und auf den richtigen Moment warten, um den Kampf zu beenden.“